Unser Immunsystem steht im Einklang mit einem körpereigenen bakteriellen Milieu. Diese sogenannten kommensalen Bakterien sind unter anderem für die optimale Funktion unserer Haut wichtig. Unter bestimmten Umständen können einige dieser kommensalen Bakterien jedoch Resistenzen gegen Antibiotika entwickeln und sich zu pathogenen Erregern entwickeln. Fulminante und nahezu unkontrollierbare Infektionen sind die Folge. Deshalb ist es von zentraler Bedeutung, die unterschiedlichen Interaktionen zwischen kommensalen und pathogenen Bakterien mit dem Immunsystem herauszuarbeiten. Mit den zu gesammelten Daten konnten wir einen wichtigen Beitrag zur Modulation von Immunantworten gegen pathogene Bakterien leisten.
Um das ambitionierte Vorhaben bearbeiten zu können, wollten wir die Interaktion zwischen S. epidermidis-Stämmen und den Wirtszellen und analysieren, um die Besiedelung und Transformation zu pathogenen Stämmen besser verstehen zu lernen. Dieses Verständnis ist von grundlegender Bedeutung, um wirtsbasierte Therapien und Präventionen zu entwickeln. Die in dem IRIS-Projekt involvierten Teams waren hierfür bestens aufgestellt. Das Gessner-Team des Instituts für Mikrobiologie und Hygiene der Universität Regensburg (WP1) ist ein Referenzzentrum, das verschiedene Standardisierungsinitiativen im Bereich der Mikrobiom-Analytik in Deutschland und in der EU koordiniert. Somit wurden im WP1 alle bakterien-assoziierten Sequenzanalysen durchgeführt und ausgewertet. Im Dudziak-Team (WP2) der Universität Erlangen-Nürnberg, erfolgte die Analyse humaner Immunzellen nach Kontakt mit S. epidermidis-Stämmen. Das Feurer/Ritter-Team (WP3) des Centrums für Interventionelle Immunologie (RCI) in Regensburg verfügt über ein fundiertes Wissen in den Bereichen Immuntoleranz und Pathogen-Wirtsinteraktionen. Zudem sind am RCI diverse Methodenplattformen etabliert, die eine Umsetzung des Projektes auf hohem Niveau ermöglichten. Alle drei Teams haben in ihren Fachbereichen umfangreiches Know-how zur Analyse und Integration bioinformatischer Daten aufgebaut. Hierzu gehören insbesondere RNAseq-, ATAC- und Mikrobiom-Sequenzierungsdaten.
Durch das IRIS-Projekt gelang den Netzwerkpartnern eine umfassende und bislang unerreichte Charakterisierung von mehr als 100 klinischen und kommensalen Staphylococcus epidermidis-Isolaten unter Einsatz modernster molekularer und immunologischer Methoden wie RNAseq, Next-Generation-Sequencing, qPCR, Mikrobiomanalysen, gnotobiotischen Mausmodellen, Co-Kultursystemen und multiparametrischer Durchflusszytometrie. Diese Arbeiten offenbarten eine unerwartet hohe genetische Vielfalt, einschließlich deutlicher Unterschiede in Virulenz- und Resistenzgenen. Zudem entstand ein Mikrobiom-Atlas im Tiermodell, spezifische qPCR-Assays für die Stammerkennung sowie detaillierte Analysen der Interaktion zwischen Hautmikrobiota und Immunsystem. Als ein zentraler Durchbruch erwies sich die Identifizierung des Immun-Checkpoints CD86 auf DC2-dendritischen Zellen als Schlüsselfaktor für die Aktivierung von Gedächtnis-T-Zellantworten gegen S. epidermidis. Parallel dazu konnten die Forschenden zeigen, dass selbst harmlose, kommensale Stämme eine systemische Immunsuppression auslösen können, indem sie über IFN-γ-abhängige NO-Produktion gezielt die Funktion von CD8⁺-T-Zellen hemmen. Diese Erkenntnisse verändern grundlegend das Verständnis darüber, wie Hautbakterien das Gleichgewicht zwischen Immuntoleranz und -aktivierung steuern.
Über die wissenschaftlichen Erkenntnisse hinaus lieferte IRIS eine Reihe konkreter Werkzeuge und translationaler Innovationen. Dazu gehören neue diagnostische und experimentelle Plattformen – darunter Co-Kultursysteme zur Analyse der Interaktionen zwischen dendritischen Zellen und T-Zellen, gnotobiotische Mausmodelle zur Untersuchung mikrobieller Einflüsse sowie ausgereifte Durchflusszytometrie-Workflows für eine präzise immunologische Charakterisierung. Das Projekt führte zu mehreren Patentanmeldungen (u. a. „Artificial Immune Receptors“) und zu Publikationen in hochrangigen Fachjournalen wie Cancer Discovery, The Journal of Clinical Investigation und Frontiers in Microbiology. Durch die Integration mikrobiologischer, immunologischer und funktioneller Datensätze mithilfe KI-gestützter Analysetools schuf IRIS eine Grundlage für neue immuntherapeutische Ansätze gegen multiresistente Erreger. Gleichzeitig stärkte das Projekt den Innovationsstandort Bayern, förderte gezielt den wissenschaftlichen Nachwuchs und erhöhte die Sichtbarkeit der Immunforschung in der Öffentlichkeit. Damit steht IRIS beispielhaft für interdisziplinäre, digital vernetzte und klinisch relevante Infektionsforschung mit nachhaltiger Wirkung.
Kooperationen
PD Dr. med. Wilma Ziebuhr, Universität Würzburg, Institut für Molekulare Infektionsbiologie, Universität Würzburg. Emailadresse: w.ziebuhr@mail.uni-wuerzburg.de
PD Dr. rer. nat. Knut Ohlsen, Universität Würzburg, Institut für Molekulare Infektionsbiologie, Universität Würzburg. Emailadresse: knut.ohlsen@uni-wuerzburg.de
Dr. Martin Fraunholz, Lehrstul für Mikrobiologie, Universität Würzburg. Emailadresse: martin.fraunholz@uni-wuerzburg.de